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Netzwerk Wirtschaft:
Über Neuronen und Change-Management

Dr. Volker Busch beim Netzwerk Wirtschaft in der Gießener Spie Akademie (Foto: Tilman Lochmüller / Regionalmanagement Mittelhessen)
Dr. Volker Busch beim Netzwerk Wirtschaft in der Gießener Spie Akademie (Foto: Tilman Lochmüller / Regionalmanagement Mittelhessen)

Auf eine Reise durch „die Welt von Geist und Gehirn" hat der Regensburger Neurowissenschaftler und Psychologe Dr. Volker Busch seine Zuhörer vergangene Woche beim Treffen des Netzwerks Wirtschaft im Regionalmanagement Mittelhessen in der Gießener Spie Akademie mitgenommen. In seinem Vortrag beschrieb er, wie neuronale Netzwerke unser Denken und Handeln beeinflussen – wichtig nicht nur für das geschäftliche, sondern auch das persönliche Change-Management. „Wir sind Opfer, aber nicht Sklaven unserer Gewohnheiten", lautete eine der Thesen, die das Ergebnis relativ neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse sind. Das Netzwerk-Treffen unter dem Motto „Netzwerk Wirtschaft trifft Technologieland Hessen“ fand in Kooperation mit der Hessen Trade & Invest GmbH (HTAI) statt.

„Innovativ denken und international handeln“, sei der Slogan seines Unternehmens, sagte Dr. Carsten Ott, Abteilungsleiter Technologie & Innovation bei der HTAI, in seiner Begrüßung. Die HTAI richte ihre Angebote im Auftrag der Hessischen Landesregierung an Unternehmen und Partner in den Regionen – wie das Regionalmanagement Mittelhessen, mit dem man gut zusammenarbeite. Das wichtigste Instrument, um Innovation zu schaffen, sei aber der Kopf und das „Mindset“, fügte er hinzu und schuf so eine Brücke zum Vortrag des Wissenschaftlers, der unter anderem an der Universitätsklinik Regensburg die Forschungsgruppe „Psychosozialer Stress und Schmerz“ leitet. Einer der Hauptgründe dafür, dass Veränderungen – ob privat oder im Betrieb – nicht funktionierten, sei unser konditionierter Hang zu Gewohnheiten, sagte Dr. Volker Busch gleich zum Einstieg seines Vortrags. 70 Prozent des Denkens, Wollens und Fühlens werden von ihnen bestimmt. Und gesteuert werden Gewohnheiten von neuronalen Netzwerken, deren Knoten durch Erfahrungen und den damit verbunden Empfindungen gebildet werden.

Wer als Kind zum Beispiel gerne Vanille-Eis mochte, werde auch als Erwachsener eher dieser Sorte zuneigen, sagte Busch. Er verglich Gewohnheiten wie diese mit ausgetretenen „Trampelpfaden“, „aber es gibt auch eine Landschaft außen rum.“ Ein Weg, diese Gebiete zu erforschen, sei, „bewusst Dinge anders zu machen, um brachliegende Synapsen zu trainieren“, sagte der Neurowissenschaftler. Voraussetzung dafür seien „Neugierde und Offenheit.“ Dass das Gehirn als „ständige Baustelle“ zu sehen ist, sei erst seit 1998 nachgewiesen. Vorher habe man geglaubt, dass unser Denkorgan – ähnlich wie eine Festplatte – eine endliche Kapazität hat. Heute wisse man, dass dieser „Speicher“ wächst, wenn Dinge dort abgelegt werden – „das Gehirn ist neuroplastisch“.

Eine neurologische Perspektive auf Change-Management beim Netzwerk Wirtschaft: Sabine Fremerey-Warnecke (oben links), Dr. Carsten Ott (oben rechts) und Dr. Volker Busch (unten links) (Fotos: Tilman Lochmüller)
Eine neurologische Perspektive auf Change-Management beim Netzwerk Wirtschaft: Sabine Fremerey-Warnecke (oben links), Dr. Carsten Ott (oben rechts) und Dr. Volker Busch (unten links) (Fotos: Tilman Lochmüller)

Aus diesem Grund empfiehlt Busch nicht nur „lebenslanges Lernen“, sondern auch einen regelmäßigen „Revolutionstag“, an dem der Alltag bewusst anders gestaltet wird, „um die Trampelpfade zu verlassen und neue Erfahrungen zu sammeln.“  Wenn Veränderungen, zum Beispiel bei der Digitalisierung im Unternehmen, auf Angst und Skepsis träfen, sei aber auch die richtige Kommunikation wichtig. Denn Menschen neigten dazu, Negatives zu überschätzen, „obwohl sich die Dinge meiste besser entwickeln, als wir glauben“. Busch rät daher zu einer dreistufigen Reflexion, bei die Relevanz einer mutmaßlichen Bedrohung, der Einfluss darauf und die Perspektive auf die Situation hinterfragt werden. Mit einer „Tagebuch-Methode“ könne zudem Negatives und Positives gegenübergestellt werden – „das stellt eine faire Bilanz her“. Busch gab den Netzwerk-Teilnehmern zum Abschluss sechs Rezepte mit auf den Weg, um neuronal fit zu bleiben: „Keine Angst vor Veränderung haben, lernbereit und geistig hungrig bleiben, Trampelpfade verlassen, offen und neugierig sein, Ängste kritisch reflektieren und positive Gegengewichte schaffen.“

Sabine Fremerey-Warnecke, Vorsitzende des Netzwerks Wirtschaft, hatte in Ihrer Einführung zu Beginn deutlich gemacht, dass sich künftig je eines der zwei jährlichen Netzwerk-Treffen das Thema „Mensch“ neben der Politik und der Wirtschaft in den Mittelpunkt stellen wird. „Menschen wollen bewegt und motiviert werden.“ Und: „Die hessische Wirtschaftsförderung HTAI hat mit der Event-Partnerschaft diese Möglichkeit kreiert.“ Bei den Teilnehmern kam die Themen-Varianz gut an: Gerade das Thema Angst sei allgegenwärtig, sagte René Reiners vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT. „Das erlebe ich als Frauenhofer-Mitarbeiter im digitalen Bereich, das erlebe ich aber auch bei Change-Prozessen in Unternehmen, wo Digitalisierung greift.“ Dr. Eva-Maria Aulich vom Forschungscampus Mittelhessen fand besonders die Einsicht spannend, „dass der Mensch den Fortschritt liebt, aber den Wandel scheut“. Was es bedeute, gegenüber Veränderungen eine positive Haltung einzunehmen, sei für sie aber die Haupt-Erkenntnis des Abends gewesen.