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Brexit: Gemeinsame
Informationsveranstaltung

Dr. Michael Holstein, Leiter der Abteilung Volkswirtschaft bei derDZ Bank AG, bei seinem Vortrag in der Viessmann-Akademie

Regionalmanagement Mittelhessen informierte zusammen mit Nordhessen und HTAI kommunale Vertreter über Standort-Chancen nach dem Austritts-Votum der Briten

Angesichts der Umwälzungen durch die Brexit-Entscheidung in Großbritannien hat der Geschäftsführer der Hessen Trade & Invest GmbH (HTAI), Dr. Rainer Waldschmidt, die Standort-Vermarkter in den Kommunen aufgefordert, vorbereitet zu sein, aber dennoch gelassen zu bleiben. Anlass war ein Treffen von Experten mit einer Gruppe kommunaler Vertreter in der vergangenen Woche in der Viessmann-Akademie in Allendorf (Eder) zum Thema „Brexit: Chancen für Mittel- und Nordhessen“. Dazu eingeladen hatte die Regionalmanagement Mittelhessen GmbH (RMG) gemeinsam mit dem Regionalmanagement Nordhessen und der HTAI, der Wirtschaftsförderung des Landes. Noch sei unklar, wie sich der Brexit konkret auf die heimische Standort-Nachfrage auswirken werde, machte Waldschmidt deutlich.

Als „Keynote-Speaker“ war Dr. Michael Holstein, Leiter der Abteilung Volkswirtschaft der DZ Bank AG, nach Allendorf gekommen, um zunächst über die wirtschaftliche und politische Lage nach dem Brexit zu sprechen: Auch, wenn der Handel mit dem Vereinigten Königreich „nicht von heute auf morgen einbrechen“ werde, sieht Holstein vor allem Auswirkungen auf die Direktinvestitionen in die Wirtschaft des Landes voraus: „Brechen diese ein, steht Großbritannien vor einem größeren Problem.“ Das betreffe vor allem die Finanzindustrie. Auch vor dem formellen Austritt drücke „die Unsicherheit bereits auf die Stimmung.“ Die Tatsache, dass Großbritannien der drittgrößte Exportmarkt für deutsche Unternehmen ist, bedeute allerdings auch für die deutsche Konjunktur „nichts Gutes.“

Einen Austritt der Briten noch in diesem Jahr schließt Holstein aus. Allerdings sollte er „vor den nächsten EU-Wahlen 2019 vollzogen sein.“ Da nach dem Austrittsantrag eine Frist von zwei Jahren beginne, müsse dieser demnach im kommenden Jahr gestellt werden. Eine EU-weite Krise durch den Vorgang halte er für „eher unwahrscheinlich“, sagte der Volkswirt. Wohin allerdings jene Direktinvestitionen fließen könnten, die den Briten verloren gehen, „bleibt Spekulation“.

Zu den Kandidaten, die von einer Abwanderung vor allem der Finanzwirtschaft der Londoner City profitieren könnten, zählt Frankfurt. Bereits vor der Brexit-Abstimmung habe man sich daher gemeinsam mit der HTAI mit den möglichen Folgen auseinandergesetzt, sagte Eric Menges, Geschäftsführer der FrankfurtRheinMain GmbH. Bereits unmittelbar nach dem Votum habe man daher eine Website mit grundlegenden Standort-Informationen online stellen können. Als Zielgruppen sehe man neben der Finanzbranche generell alle Unternehmen mit Hauptsitz in London, aber auch im ganzen Vereinigten Königreich. Zusätzlich habe das Standort-Marketing auch Konzerne im Blick, die noch auf der Suche nach einer Niederlassung in Europa sind.

Es müsse allerdings noch Überzeugungsarbeit beim Werben um die Abwanderer von jenseits des Kanals geleistet werden, fügte Menges hinzu – vor allem bei Image und Lebensqualität. Er verwies auf eine Studie der Boston Consulting Group, nach der Banker spontan andere Standorte Frankfurt vorzögen, die Main-Metropole bei „Standort-relevanten Faktoren“ aber zur ersten Wahl machten. „Wir müssen uns als englischsprachigen Raum präsentieren und die hohe Lebensqualität hervorheben.“ Als Hauptkonkurrenten haben die Frankfurter dabei die europäischen Metropolen Paris und Amsterdam ausgemacht. Und: Nicht nur das Rheinmain-Gebiet, sondern „die ganze Region erfährt mehr Aufmerksamkeit“ durch den Brexit. „Das müssen wir nutzen.“

HTAI-Geschäftsführer Waldschmidt appellierte an die kommunalen Standort-Vertreter, sich einerseits vorzubereiten, andererseits aber angesichts der langjährigen engen wirtschaftlichen Beziehungen mit Großbritannien nicht aggressiv, sondern eher gelassen zu agieren. Neben Finanz-Unternehmen, die sich „mit hoher Wahrscheinlichkeit in Frankfurt“ niederlassen würden, riet Waldschmidt dazu, auch mit Vertriebsstrukturen und EU-Niederlassungen in den Oberzentren und schließlich auch mit Betrieben der Realwirtschaft im gesamten hessischen Raum zu rechnen. „Aus jeder Welle kann Ihnen was begegnen, es kann jederzeit jemand an der Tür klingeln“, sagte Waldschmidt. Er verwies dabei auf die Teams der HTAI und der Regionalmanagements, die bereit seien, die Kommunen jederzeit mit Argumenten zu unterstützen. „Wir sind dann für Sie da.“

RMG-Geschäftsführer Jens Ihle hob in diesem Zusammenhang die hervorragende Kooperations-Kultur im hessischen Standort-Marketing hervor. „Diese Veranstaltung ist ein Beispiel dafür.“ Das regelmäßige Treffen der beteiligten Institutionen in Form eines „Jour fixe“, bei dem auch die Veranstaltung in der Allendorfer Viessmann-Akademie geplant worden sei, gehöre ebenfalls dazu.