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Mittelhessen-Mitgliederversammlung
mit Prof. Dr. Harald Lesch

Der Astrophysiker, Autor und Wissenschaftsjournalist Prof. Dr. Harald Lesch sprach während der Mitgliederversammlung des Vereins Mittelhessen über Unberechenbarkeit und die Bedeutung des Regionalen.

Bei Mitgliederversammlung des Vereins Mittelhessen sprach der Astrophysiker und Wissenschaftsjournalist über „Unberechenbarkeit“ in Zeiten von Pandemie und Klimawandel

Wenn die Mitgliederversammlung eines Vereins online stattfinden muss, machen Inhalte oft den Unterschied. Das galt auch vor kurzem anlässlich des jährlichen Treffens des Vereins Mittelhessen, bei dem neben den Berichten zu Aktivität und Finanzen vor allem der Gastbeitrag von Prof. Dr. Harald Lesch, im deutschen Sprachraum bekannt durch die Sendung „Leschs Kosmos“, im Zentrum stand. „Unberechenbar - das Leben ist mehr als eine Gleichung“lautete sein Thema – nach dem gleichnamigen Buch des Wissenschaftsjournalisten.Neben der allgegenwärtigen Pandemie fand die titelgebende These in Leschs Vortrag auch bei einer anderenzentralenHerausforderung Anwendung: dem Klimawandel.

Natürlich ging es nach der Begrüßung durch den Vereinsvorsitzende Dr. Christoph Ullrich in Leschs Rede im Hinblick auf das Thema Unberechenbarkeit zunächst um Covid-19: Kein Mensch habe mit diesem Verlauf der Pandemie und einen derartigen „Einschlag“ gerechnet, sagte der in Mücke aufgewachsene Wissenschaftsjournalist – trotz der Warnungen von Epidemiologen. Doch dass leistungsfähige Präventionsmittel wie der auch in Marburg von Biontech produzierte mRNA-Impfstoff so schnell zur Verfügung stehe, sei eine „tolle Nachricht“. Durch die Impfungwürden die Dinge wieder planbarer. Doch: „Die neue Normalität wird anders sein“, betonte Lesch. Grund sei der Klimawandel.

Sein gemeinsam mit dem Theologen und Philosophen Prof. Dr. Thomas Schwartzverfasstes Buch tragedie Unberechenbarkeit im Titel; so stelle sich die Frage, „wie man trotzdem vernünftig handeln kann“. Der Klimawandel sei längst da, das wüsste nicht nur die Münchner Rückversicherung – die Versicherung der Versicherer –schon länger. „Wir haben also eine Herausforderung, auf die wir reagieren müssen.“ Auch das Bundesverfassungsgericht habe im Wahljahr ein vielbeachtetes Urteil gefällt, in dem es das Klimaschutzgesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärte – weil es das Klima nicht ausreichend schütze.

Es muss sich also etwas tun, doch wie? „Wir werden aus den fossilen Energien raus müssen“, wie auch in Mittelhessen an den zahlreichen Windrädern zu sehen sei.Für die Politik stelle sich da die Frage, welche Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, damit diese Transformation möglichst reibungslos funktioniere. „Es muss einen möglichst sanften Übergang geben“, bei dem sich auch die Frage stelle: „Ist das überhaupt finanzierbar?“ Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang, wie sich in der vergangenen 15 Monaten „die öffentliche Hand bis zur Oberkante Unterlippe verschuldet hat“, um die Gesellschaft als Ganzes zu schützen und unter anderem das Gesundheitssystem vor allem für die Schwächeren leistungsfähig zu halten.

Beim transformativen Handel gehe es also darum, Rahmenbedingungen durch die Politik zu schaffen, damit die Akteure darin „hinreichend planbar“ agieren können – und zwar in einer Situation, in der unklar sei, ob diese Pläne auch ausreichen. Das „Unberechenbare“ sei eben ein Teil dieser komplexen Welt, sagte Lesch als „Spezialist für komplexe Systeme“. Und „für komplexe Probleme gibt es keine einfachen Lösungen.“

Einer Institution wie dem Regionalmanagement käme in diesen transformativen Zeiten so eine besondere Rolle zu. Denn Lesch plädiert dafür „mehr auszuprobieren“, das Ergebnis zu prüfen und gegebenenfalls nachzukorrigieren. Im Regionalen findet „alles vor Ort statt“, könnten Aktionen schneller wahrgenommen und durchgeführt werden. „Kommunale und regionale Netzwerkeseien daher wichtig.Auch damit Demokratie stabil bleiben kann und Menschen „nicht abgehängt werden“. Denn das „Handeln in transformativen Zeiten“ kann schnell unüberschaubar und ungewiss werden–Bedingungen, die Menschen dazu verleiten können, sich zu radikalisieren.

Um „durch unsichere Zeiten gemeinsam gut durchzukommen“ sei das Regionaledaher wichtig, denn die Akteure kennen sich in diesem Umfeld meist persönlich und haben über Jahre Vertrauen zueinander aufgebaut. „Auch das hat etwas mit Überschaubarkeit zu tun.“ Wichtig sein dann auch, „einmal gemeinsam zu feiern“ und zurückzublicken, wenn ein Meilenstein erreicht sei. „Das ist gerade in unberechenbaren Zeiten wichtig.“ In diesem Zusammenhang und mit Blick auf Mittelhessen sei dem Wissenschaftler daher „nicht Bange“. Die Region präge eineRuhe und ein Selbstbewusstsein,das in diesen unsicheren Zeiten absolut richtig sei.