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Rückkehr in den Beruf
Chance für den Arbeitsmarkt

Inhaberin Claudia Spiechowicz in ihrem Frisörsalon in Schöffengrund

Berufsrückkehrerinnen und -rückkehrer haben das Potenzial, den Fachkräftemangel im Gewerbe zu lindern – Eine Frisörmeisterin schildert ihre Erfahrungen

Menschen, die nach einer Auszeit in ihren Beruf zurückkehren möchten, haben es schwer – nicht zuletzt Frauen, zum Beispiel nach einer Mutterschaft. „Sie haben oft nach mehrjährigen Pausen keine Perspektive“, sagt Andrea Ortstadt von der Vogelsberg Consult GmbH, der Wirtschaftsförderung des Vogelsbergkreises. Dabei haben sie ihre Fähigkeiten nicht verloren und die Wirtschaft braucht Fachkräfte. Die Expertin für Weiterbildung engagiert sich im Netzwerk Bildung des Regionalmanagements Mittelhessen, um dem Problem entgegen zu wirken. Mit Erfolg: Vor allem im Handwerk gebe es einen Sinneswandel, sagt Ortstadt. Und Teil dieses Wandels ist Claudia Spiechowicz, Frisörin und ehemalige Obermeisterin der Innung Lahn-Dill.

Seit 36 Jahren ist Spiechowicz im Geschäft, seit 25 Jahren betreibt sie in Schöffengrund im Lahn-Dill-Kreis ihren „Salon Claudia“. Sie hat gute Erfahrungen gemacht mit Berufsrückkehrerinnen. Drei arbeiten zurzeit in ihrem Betrieb – zwei in Teilzeit, eine als Minijobberin. „Alle waren super motiviert, als sie zurückkamen“, erzählt die 51-Jährige. „Sie sind so gut wie nie krank, stehen ihre Frau“, fügt sie hinzu. Während ihre Mitarbeiterinnen sich im Laden um die Kunden kümmern, erzählt sie in einem Aufenthaltsraum hinter dem Salon über ihre Erfahrungen. Und verschweigt dabei auch nicht die besonderen Herausforderungen, denen sich Arbeitgeber stellen müssen.

„Das Selbstbewusstsein muss neu aufgebaut werden“, sagt Spiechowicz. Das Grundhandwerk haben die Frauen nicht verlernt, aber das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten fehlt. Außerdem: „Die Rückkehrerinnen müssen Anschluss an die Trends finden; die Mode schläft nicht.“ In der Praxis bedeute dies in ihrem Salon, dass die Betroffenen erst einmal keine Haare schneiden, sondern zuarbeiten.“ In diesem Handwerk bedeutet das vor allem, die Logistik im Griff zu haben. „Das ist eine wichtige Aufgabe.“

Nicht immer klappt die Wiedereingliederung allerdings reibungslos. „Für viele ist das auch erst einmal ein Spagat zwischen den Kindern zuhause und dem Beruf“, sagt die Frisörmeisterin. Das geht nicht immer gut aus. „Wer nur drei Stunden in der Woche arbeiten kann, schafft den Wiedereinstieg nicht“, weiß Spiechowicz. Zumindest nicht in ihrem Gewerbe, in dem es nicht nur um Kreativität, sondern auch um Kommunikation mit den Kunden geht. „Da muss man mit Leib und Seele dabei sein und vor allem auch den Kopf frei haben.“ Die Belohnung: „Wer hier glücklich im Beruf ist, kommt motiviert wieder nach Hause.“

Gewerbetreibende stehen nicht alleine, wenn Sie Rückkehrerinnen und Rückkehrern eine Chance geben wollen: Die Agentur für Arbeit stehe beratend zur Seite und sei auch in der Lage, Qualifizierungsmaßnahmen zu bezahlen oder einen Zuschuss zum Lohn zu geben, sagt Ortstadt. Vor allem, wenn sich eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung abzeichnet. Berufsbildungsgesellschaften wie das Zentrum für Arbeit und Umwelt Gießen (ZAUG) oder die Gesellschaft für Wirtschaftsförderung, Ausbildung und Beschäftigungsinitiativen (GWAB) in Wetzlar bieten zudem Wiedereingliederungsmaßnahmen an. Wichtig sei eine „positive Grundeinstellung der Arbeitgeber bei personellen Herausforderungen“, betont die Expertin. Denn wer sich den Schwierigkeiten stellt, werde in der Regel mit einer besonderen Loyalität der neuen Mitarbeiter belohnt.

Eine Herausforderung kann zum Beispiel eine möglicherweise nötige Nachqualifizierung sein. „Seit 2015 gibt es für diesen Fall in Hessen die Initiative ProAbschluss“, sagt Ortstadt – finanziert vom Land Hessen und dem Europäischen Sozialfond (ESF). Als Ansprechpartner für die Betriebe stehen so genannte Bildungscoaches zur Verfügung – Andrea Ortstadt ist einer von Ihnen. Nach einer Beratung kann sie zudem „Qualifizierungsschecks“ ausstellen. Inhalt dieses Schecks sind die Übernahme der Hälfte etwaiger Weiterbildungs- und Prüfungskosten. „Ziel von ProAbschluss soll sein, Betrieben durch die Nachqualifizierung Fachkräfte zur Verfügung zuzustellen, die sie sonst so am Markt nicht mehr bekommen können.“

In ihrem Salon wird Claudia Spiechowicz ab September wieder ihre „positive Grundeinstellung bei personellen Herausforderungen“ unter Beweis stellen können. Dann fängt bei ihr eine junge Mutter ihre Teilzeitausbildung an. Dabei hat die 21-Jährige im dualen System die gleichen Berufschulzeiten, aber reduzierte Stunden im Betrieb. „Sie wird die Ohren anlegen müssen“, sagt die Frisörmeisterin. Aber: „Die will das, hat sich bereits vor Jahren beworben und ein Praktikum gemacht.“ Spiechowicz weiß, dass viele Betriebe den Aufwand in solchen Fällen fürchten. „Das ist ein hartes Geschäft.“ Sie selber sieht sich als „unvoreingenommen, wenn das Menschliche passt“. Das ist eine Beobachtung, die auch Ortstadt immer öfter macht: Wenn die Einstellung der Bewerber stimme, seien die Noten zum Beispiel oft nicht so wichtig. „Auch im Handwerk ist der Fachkräftemangel angekommen.“

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